Dorota Masłowska

Dorota Masłowska (geb. am 3. Juli 1983 in Wejherowo)
Masłowska wuchs in Wejherowo (Pommern) auf und begann nach dem Abitur ein Psychologiestudium an der Universität Danzig, wechselte aber bald nach Warschau, um Kulturwissenschaft zu studieren. Sie lebt dort im Stadtteil Praga, den sie in ihrem zweiten Buch beschreibt.
Ihren Debütroman Wojna polsko-ruska pod flagą biało-czerwoną (2002, dt. Schneeweiß und Russenrot) schrieb sie im Alter von 18 Jahren während des Abschlussjahres am Liceum Der Roman wurde in die wichtigsten europäischen Sprachen übersetzt. Er beschreibt – oder karikiert – den Alltag und die Perspektivlosigkeit von Jugendlichen im post-kommunistischen Polen. Kritiker lobten insbesondere den mit reichlich Jugendslang angereicherten Erzählstil. So verglich eine Rezension der tageszeitung ihn mit Irvine Welshs Trainspotting oder J.D. Salingers Der Fänger im Roggen. Das Buch rief allerdings auch kritische Stimmen hervor.
2005 veröffentlichte Masłowska ihr zweites Buch Paw królowej, mit dem sie die Kritik spaltete. Der Titel ist ein Wortspiel – er kann „Der Pfau der Königin“, aber auch „Die Kotze der Königin“ bedeuten. Die deutsche Übersetzung erschien im Juni 2007 unter dem Titel Die Reiherkönigin. Die Autorin seziert und persifliert darin die polnische Gegenwartssprache. Ähnlich wie sein Vorgänger malt auch Paw królowej ein düsteres Bild des heutigen Polen.

Rezensionen:

Dorota Masłowska, „Schneeweiß und Russenrot“

  • Klappentext

Dorota Maslowska zeichnet ein zwischen poetisch und schmutzig, nostalgisch und rebellisch changierendes literarisches Porträt der Subkultur in einer heutigen polnischen Stadt. Erzählt wird die Geschichte von Andrzej, genannt der Starke, der von seiner Freundin verlassen wird und dies von seinen Freunden erfährt, während sich Polen auf einen neuen Krieg gegen Russland vorbereitet. Auf der Suche nach Speed lässt er sich mit verschiedenen Frauen ein, verliert seinen Hund, fährt ans Meer, wird verhaftet und verhört, kommt ins Krankenhaus.

  • Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 19.06.2004 (Perlentaucher)

Ein etwas geheimnisvolles Urteil fällt Rezensentin Katharina Narbutovic über Dorota Maslowskas Romanerstling. Einerseits findet sie die in einer ostpolnischen Kleinstadt angesiedelten Geschichte um Andrzej, den „Starken“, der aufgrund von Beziehungsende und Drogen allmählich die Bodenhaftung verliert, „an sich banal“ und ohne „besonderen literarischen Reiz“. Sprachlich findet sie den Roman jedoch umwerfend: Andrzejs „lebendiger, flapsiger Ton“ und sein „frischer, unverbrauchter Blick“ erobere schlichtweg jedes Herz. Eindeutig gefallen hat der Rezensentin Maslowskas Provokation, alle Figuren vom „polnisch-russischen Krieg“ und hasserfüllt über die Russen sprechen, und dabei keinen einzigen Russen auftauchen zu lassen. Hier, lobt die Rezensentin, treibt Maslowska „ein genüssliches Spiel mit Stereotypen, Rollenbildern und Klischees“, und zelebriert das „politisch Unkorrekte“. Dieser Roman, so Narbutovic, ist „wild“ und „schnell wie die Kugeln eines Flipperautomaten“, aber keineswegs „gefährlich“.

  • Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 24.02.2004 (Perlentaucher)

Begeistert ist Adam Olschewski vom Debüt der erst achtzehnjährigen Polin Dorota Maslowska. Der Roman erzählt in „schnellem, stark verkürzendem, farbenprächtigem“ Jugendslang ein paar Stunden aus dem Leben Andrzejs, der gerade von seiner Freundin verlassen wurde und „eingekeilt vom Liebesschmerz“ durch eine namenlose Stadt treibt. Maslowska verzichte gänzlich auf ausführliche Beschreibungen, berichtet der Rezensent, sondern schildere ihren Helden in einer Mischung von Dialogen und Assoziationsströmen. Dabei schwankt der Roman ständig zwischen Komik und Tragik, denn hinter der „umfassenden Redseligkeit“, die eben vor allem durch Maslowskas Slang transportiert wird, lauert die „große Leere“. Dank dieser Tragik und ihrer sprachlichen Souveränität hebe sich die Autorin vom Gros der Popliteraten ab, schwärmt Olschewski: „Jedenfalls werden wir Zeuge von Poesie. Ein Trost, aber ohne Gewähr.“

Dorota Masłowska, Die Reiherkönigin

  • Rezension von Stefanie Peter in Frankfurter Allgemeine 16.6.2007

Der Reiche frisst, der Arme hat es satt

Dorota Maslowska, der junge Star der polnischen Literatur, hat einen virtuosen Rap-Roman geschrieben, der die Medienwelt Warschaus grell ausleuchtet. Olaf Kühl hat das Großstadtepos frei nachgedichtet.

Hatte Dorota Maslowska in ihrem 2004 auf Deutsch erschienenen Erstling „Schneeweiß und Russenrot“ noch die eigene Herkunft aus der Kleinstadt zum Thema gemacht und die Auswirkungen von Marktwirtschaft und Systemwechsel anhand des Milieus der Männer in Trainingshosen beschrieben, so entwirft sie in „Die Reiherkönigin“ ein nicht weniger präzises Bild der heutigen Warschauer Verhältnisse: Die Provinzler sind nun im Zentrum angekommen. Manche erobern die Stadt, andere gehen baden. Maslowska hat ein Großstadtbuch mit gleißendem Licht und harten Schatten geschrieben. Und zeigt darin die Brutalität und Schnelligkeit, die das Gesicht einer globalisierten Metropole prägen.

„Gern würde sie vergessen“ heißt es in Dorota Maslowskas jüngstem Buch, „in welch einem schrecklichen Land sie lebt mit dem seltsamen Namen ,Polen’, wo sich aus Versehen vergessene Kriege ständig wiederholen.“ Und auch ein anderer Protagonist des Textes „Die Reiherkönigin“, für den in der deutschen Übersetzung die Gattungsbezeichnung „Ein Rap“ angegeben wird, wünscht sich aus seiner Existenz. Sein Name sagt schon alles: Stanislaw Retro. Als Rockmusiker hatte er mal gute Zeiten, ist aber nun bereits lange auf einem Abstieg ins Bodenlose. Längst spielt er nicht mehr auf der Gitarre, sondern nur noch am Rechner, wo es „schieß oder stirb“ heißt.

Geld- und Potenzprobleme, die offensichtlichen Spuren des Alters - an Stan Retro ist so ganz und gar nichts chic, auch wenn sein Name mit einem neuerdings geschätzten Modeattribut identisch ist. Für ihn bedeutet „retro“ ganz einfach eine Rückwärtsbewegung: weg vom Erfolg und weg vom Glück. Zu Retros größter Schmach geraten Vorwürfe, die einige Weblogger plötzlich gegen ihn erheben: Ein „schwuler Freimaurer“ soll er sein, und damit sind auch schon die schlimmsten Eigenschaften miteinander vereint, die einem Mann in Polen angedichtet werden können.

Maslowskas neues Buch ist kein Roman, sondern ein Rap, und verdient sich dieses Prädikat durch eine Sprachakrobatik, die Olaf Kühl mehr nachgedichtet als einfach übersetzt hat. Mal fließt die Prosa gleichmäßig dahin, mal nimmt sie Fahrt auf, wird dicht, wo es sich reimt, das Ganze bekommt einen Rhythmus, einen Beat. Laut gelesen, schreit dieser Text geradezu nach starken Temposchwankungen. Und ein Vorleser wäre gut beraten, Markierungen für dramatisches Accelerando und beruhigendes Ritardando einzutragen.

Müßig ist hingegen die Frage, ob durch Kühls Übertragung ins Deutsche originärer Sprachwitz verlorengegangen ist. Das musste nämlich schon deshalb so sein, weil sich der Übersetzer erst gar nicht an der Kopie des Originals versucht hat. Kühl bringt den Resonanzraum der deutschen Sprache und Assoziationsgeschichte zum Klingen. So kann man sich beim Lesen des Satzes „Und im Falle eines Falles können Sie mir eine kleben“ an eine uralte Werbung für UHU-Alleskleber erinnert fühlen. Und wenn es heißt „Steh auf jetzt Verdammter, wasch die Erde dir aus dem Gesicht“ grüßt die Internationale.

Im Vergleich mit dem polnischen Original lässt sich studieren, wie viel Wortwörtlichkeit verlorenging und wie viel Sprachwitz gewonnen wurde und dass die literarische Leistung, die Kühl mit seiner Übersetzung erbracht hat, nicht hoch genug bewertet werden kann.
 

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