Wojciech Kuczok

Wojciech Kuczok (geb. 18. Oktober 1972 in Chorzów) wuchs in Oberschlesien auf und studierte an der Schlesischen Universität in Kattowitz. Er arbeitete journalistisch für die Wochenzeitung Tygodnik Powszechny und die Monatsschriften Res Publica Nowa und Kino. In den 90er Jahren begann er schriftstellerisch zu arbeiten. Sein erster Erzählband erschien im Jahre 1996, schon sein drittes Buch Opowieści słychane (Erhörte Erzählungen) wurde von der Kritik hoch gelobt. Gleiches galt für seinen ersten Roman Gnój (Dreckskerl) aus dem Jahre 2003. Für das Buch erhielt er 2003 den Paszport Polityki und im Jahre 2004 den bedeutendsten polnischen Literaturpreis, die Nike. Anschließend verfasste er das Drehbuch zu dem Film Pręgi (Striemen) von Magdalena Piekorz, der 2004 den Hauptpreis des Polnischen Filmfestivals Gdynia erhielt. In seinen Texten setzt sich Kuczok nicht nur unverblümt und respektlos mit den in Polen tabuierten Themen Familie und Kirche auseinander, sondern behandelt mit dem Coming-out homosexueller Protagonisten wiederholt ein weiteres Tabuthema in der polnischen Gesellschaft.

Rezensionen

Wojciech Kuczok, Dreckskerl

  • Klappentext

Aus dem Polnischen von Gabriele Leupold und Dorota Stroinska. „Dreckskerl“ erzählt von den dramatischen Wendungen der deutschen und polnischen Geschichte im 20. Jahrhundert, deren Gewalt sich im privaten Leben der Familie K. fortsetzt. Einziger Schauplatz ist das vom Vater des „alten K.“ erbaute Haus, irgendwo im rußgrauen schlesischen Bergbaugebiet. Es überstand die deutsche Besatzung, blieb von Bomben verschont, muss aber nach Kriegsende mit einem proletarischen Ehepaar geteilt werden. Der Krieg geht in der nächsten Generation weiter, ein Krieg der vergifteten Seelen. Der „alte K.“ züchtigt sein Kind, den Ich-Erzähler, mit der Peitsche. Ein gescheiterter Künstler, sieht er sich in der Umgebung von Bergleuten, in Schmutz, Gestank und Verwahrlosung, vom kommunistischen System aller Lebenschancen beraubt und tobt seine Frustration an dem Jungen, dem „Dreckskerl“, aus, bis dieser zum Gegenschlag ausholt. Kuczoks „Antibiografie“, ein nachtschwarzer Familienroman, hat in Polen lebhafte Debatten hervorgerufen.

  • Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 17.07.2007 (Perlentaucher)

Rezensent Andreas Breitenstein ist ebenso elektrisiert wie erschüttert von diesem Roman des jungen Wojciech Kuczok, der bei seinem Erscheinen halb Polen in Empörung versetzte. Die Aufregung kann sich Breitenstein zwar nicht gänzlich erklären, versichert aber, dass dieses „Desillusionierungsdrama“ mitten ins Herz des polnischen Nationalismus und Katholizismus trifft. Es erzählt die Geschichte der Familie K., deren Oberhaupt nach seiner Deklassierung während des Zweiten Weltkriegs seinen Hass an seinem „schwächlichen“ Sohn auslässt. Dabei haben Breitenstein nicht nur Kuczoks „glasklare Sprache“ und seine „feinnervige Gedankenführung“ in den Bann geschlagen, er sieht auch auf großartige Art „Debakel und Tragödie“ der polnischen Geschichte im 20. Jahrhundert darin widergespiegelt. Und ein letztes Lob: Das Übersetzerinnen-Duo Gabriele Leupold und Dorota Stroinska hat diese furiose Saga „bravourös“ übersetzt.

  • Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 16.06.2007 (Perlentaucher)

Beeindruckt zeigt sich Rezensent Jan Feddersen von dieser polnischen Vater-Sohn-Geschichte, deren entscheidenden Konflikt Feddersen in der Homosexualität des Sohnes sieht. Besonders die Kälte, mit der Wojciech Kuczok den Konflikt ohne jeglichen „begütigenden Willen“ zur „Familienvergangenheitsbewältigung“ beschreibt, bewegt ihn durch ihre „teils ekelhaft nahe Beschreibungen“ sehr. Der titelgebende Kerl ist Feddersen zufolge ein väterlicher Patriarch, der den Sohn nicht nur an der Entfaltung seiner Sexualität gewaltsam hindert. Auch widme sich der Autor der polnischen Vergangenheit, dem Krieg und seinen feigen Helden. Eine ödipale Tyrannenmordfantasie erhöht noch den Rezensententhrill. Aber auch die Art, wie Kuczok die Einsamkeit des Rächenden beschreibt, findet Feddersens Respekt. Und der Wunsch, Kucoks ungefühlige Art, sich dieses Themas anzunehmen, möge hierzulande und anderswo Nachahmer finden.

  • Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 31.05.2007 (Perlentaucher)

Eine uneingeschränkte Leseempfehlung spricht Rezensent Ulrich Baron angesichts des neuen Romans von Wojciech Kuczok aus, den er nicht nur aus der polnischen Gegenwartsliteratur hervorragen sieht. Topografischer Mittelpunkt dieser „Antibiografie“, die mit Recht auch ein „Antifamilienroman“ genannt werden darf, wie der Rezensent betont, ist das großväterliche Haus, in dem die Familie des Erzählers ihre mittlerweile abgewirtschaftete Existenz fristet. Baron ist fasziniert, wie virtuos der polnische Autor gleichzeitig mit drastischer und geradezu barocker bis mittelalterlicher Sprache zu jonglieren versteht, und zeigt sich gebannt, wie im fulminanten Ende Haus und Bewohner in einer Jaucheflut untergehen.

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